Inklusion am Arbeitsplatz
Am Arbeitsalltag ganz normal teilnehmen – auch ohne Gehör
Inklusion ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Doch noch immer erfahren Menschen mit Behinderung Benachteiligungen in ihrem Alltag. Darauf macht heute, am 5. Mai, der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung aufmerksam, der vor über 30 Jahren von der „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland“ ins Leben gerufen wurde. Ziel des Tages ist es, die erforderliche rechtliche Grundlage für eine Gleichstellung behinderter Menschen zu schaffen. Was es tatsächlich bedeutet, mit einer Einschränkung den Arbeitsalltag zu meistern, ist für Menschen ohne Behinderung oftmals schwer vorstellbar.
Kathrin Schröder, Vertrauensperson für Schwerbehinderte Menschen beim Schiltacher Sanitärhersteller Hansgrohe, sagt: „Für Hansgrohe sind die Inklusion, die Chancengleichheit und die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben sehr wichtig. Dies umfasst einen respektvollen und von Wertschätzung geprägten Umgang untereinander. Wir sehen es als selbstverständlich an, Menschen mit Behinderung verbesserte Chancen im Arbeits- und Berufsleben zu bieten.“ Wie dies funktionieren kann, zeigt sich am Beispiel von Christina Kraft. Sie ist gehörlos und arbeitet seit drei Jahren in der Montage im Offenburger Werk von Hansgrohe.
„Es ist toll, dass Hansgrohe mir die Chance gegeben hat, hier zu arbeiten“, berichtet die Ettenheimerin, die im Alter von drei Jahren durch eine Mumps-Erkrankung ihren Gehörsinn verlor. Die Probleme mit der Berufswahl können schon bei der Berufsschule anfangen. Denn längst nicht jede Schule kann jungen Menschen mit Beeinträchtigungen eine Ausbildung und damit die berufliche Eingliederung in die Gesellschaft ermöglichen. Für Hörgeschädigte beispielsweise gibt es in Deutschland nur rund ein Dutzend Berufsschulen. Kraft machte eine Ausbildung zur Raumgestalterin, allerdings fand sie in ihrem Beruf nach dem Abschluss keine Anstellung. „Da ich sehr gerne mit den Händen arbeite, ging ich in die Montage von Unternehmen“, erzählt sie. In diesem Bereich arbeitet die 44-Jährige nun schon beinahe 20 Jahre.
Auch Bewerbungen seien nicht immer einfach gewesen, erinnert sich Christina Kraft. Eine Online-Bewerbung sei zwar schnell verschickt, aber spätestens beim Vorstellungsgespräch brauche es einen Übersetzer. Hier unterstützen die bundesweiten Integrationsämter gehörlose Menschen. Aber natürlich müssen auch die Unternehmen bereit sein, einen gehörlosen Menschen einzustellen. Hansgrohe war aufgeschlossen und lud Christina Kraft zum Gespräch ein. „Das war Neuland für uns“, sagt ihre Führungskraft Stéphane Luttmann, „einen gewissen Respekt vor der Aufgabe hatten wir schon, aber letztendlich war der Respekt größer als die Aufgabe selbst.“
Manche organisatorischen Dinge mussten für Christina Kraft umgestellt werden. So bekommt sie etwa wichtige Informationen schriftlich. Unterstützung erhält Hansgrohe vom Integrationsfachdienst. „Zusammen planen wir einzelne Termine mit einer Gebärdendolmetscherin, sodass dabei offene Fragen mit den Führungskräften besprochen werden können“, ergänzt Stéphane Luttmann. Ganz wichtig sind besondere Maßnahmen in Notfällen. Dafür wurde beispielsweise die Feueralarmanlage speziell für die gehörlose Montagemitarbeiterin angepasst. Sie bekommt im Brandfall eine Warnmeldung auf ihr Handy.
Stéphane Luttmann ist froh, Christina Kraft im Team zu haben. „Christina hat die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen Teammitglieder. Ich finde es wichtig, dass man auch Menschen mit Behinderungen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt gibt“, sagt Luttmann, selbst Vater einer behinderten Tochter. Für Kraft bedeutet der Job, ein eigenes Einkommen zu haben, selbstständig zu sein und natürlich wie alle Mitarbeitenden Wertschätzung im Arbeitsalltag zu erfahren. Denn auch ohne Hörsinn möchte sie beruflich wie privat am ganz normalen Leben teilhaben.